„Zu Fabian und Sebastian“ (20. Januar) muß der Saft in die Bäume gahn“ sagt eine alte Wetterregel, die aber, wenigstens für unser Emsland, nur zum Teile zutrifft. Zu den ersten Bäumen und Sträuchern, unter deren Rinde der Saft im neuen Jahre zu kreisen beginnt, gehören die Weidenarten, und von undenklichen Zeiten her hat die liebe männliche Jugend sich dies zunutze gemacht, um sich ein billiges und beliebtes Spielzeug aus Weidenloden zu verschaffen, das mehr oder minder an Musik erinnernde Töne von sich zugeben imstande ist.
Die einfachste Form ist der „Hupphupp“, nach dem von ihm hervorgebrachten Laute benannt. An einer Weidenrute wird ein reichlich fingerlanges Stück im Saft befindlichen Bastes durchgeschnitten, dieser Teil angefeuchtet und auf einer harten Unterlage mit dem Messerschaft kurze Zeit geklopft, bis sich der Bast über dem Holze leicht, ohne zu reißen, abziehen läßt. Dann wird mit dem Messer von einem kleinen Teil des einen Endes des abgezogenen Baststückes die „Oberhaut“ vorsichtig entfernt, so daß die weiche „Unterhaut“ bleibt, die als Mundstück dient, so daß das Ganze, wenn man Luft mit den Lippen hindurchstreichen läßt, einen Ton ähnlich wie „hupphupp“ von sich gibt. „Klingt es nicht, dann rappelt´s doch.“
Eine „höhere Kunststufe“ stellt die ebenfalls aus solchem „Sappholt“ verfertigte Pfeife (Flöte) dar, die weit über Deutschlands Grenzen bei der Kinderwelt bekannt und beliebt ist. Sie wird ebenso hergestellt wie der „Hupphupp“, nur daß das obere Ende vor dem Schlagen der Rinde in Form einer Flöte zugeschnitten wird, zum Teile vor dem Klopfen des Abschnittes, zum Teile nach ihm und vor dem Wiederaufschieben des geklopften Baststückes. (Wem diese Darstellung nicht klar genug ist, wolle sich bei unserer fachmännischen Schulknabenschaft auf den Dörfern erkundigen).
Daß das „Pfeifchenschlagen“, wenigstens in ganz Norddeutschland, wie gesagt, seit altersher sehr beliebt gewesen ist, wird besonders dadurch erwiesen, daß es in den verschiedensten Gegenden mit „poetischen“ Formeln umgeben wurde, von denen Dutzende, in Einzelheiten stark abweichende, aber auf einen gemeinsamen Grundinhalt abgestimmte, gewöhnlich als „Bastlösereime“ bezeichnete in den volkskundlichen Zeitschriften, besonders „Niedersachsen“ (Bremen), veröffentlicht sind. Aus unserm nordwestfälischen Emslande kenne ich, und zwar aus eigener Praxis, nur einen solchen und zwar entsprechen derben:
(Einleitung.)
Sipp sapp sunnerloot,
´Waoter löpp d´r unner ut,
Unner ut den hollen Boom.
(Erzählung.)
Kättken up ´m Dike satt,
Söute Mälk un Tweebakk att,
Do kwamm de böse Hesse
Mit de scherpen Meste,
Wull dat Kättken ´t Ohr offschnien –
Kättken see (sagte): Meemau, Peepau!
(Schluß.)
Is dat Piepken d´r noch nich off,
Dänn will wi ´t aowern Tune smiten,
Daor laot´t all´ use Swine be- - !
Zweierlei fällt mir hierin auf. In der ersten Zeile verstehe ich nicht, was „sunnerloot“ bedeutet. Ist es lediglich Schmuckwort wie z. B. „sapperlot“? „Sunner“ ist in unserer Gegend nicht bekannt. D. Lagemann=Meppen gebraucht es freilich als Neutrum im Sinne von Fußsteig über einen Graben in seinem hübschen Nikolausliede: aber auch im Meppenschen, wo ich vier Jahre als Pennäler weilte, habe ich es niemals gehört.
Sodann kommt in vielen Bastlösereimen aus verschiedenen Gegenden der „böse Hesse mit de scharpen Meste“ vor. Dieser muß einen gemeinsamen Ursprung haben, wenn auch lediglich in der Urform des erzählenden Versschens. Aber trotz mehrfacher Nachforschung in Fachkreisen ist ein Ergebnis nicht erzielt worden.
H.A.
Quelle: Mein Emsland 6. Jahrgang 1930 Beilage zur Ems-Zeitung
Druck und Verlag: Buchdruckerei der Ems-Zeitung L. Rosell, Papenburg