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Buchausschnitte

Geschenkfenster im Emsland

Aus dem Nachlass von Hermann Abels.

„Hochtiedgoahn, Gevadderstoahn un Fenstergäwen heff de Bur tou de Ploaze utdräwen“, so sagt ein alter emsländischer Spruch. Was hat es mit dem „Fenstergäwen“ für eine Bewandtnis?

In den „Heimatblättern der Roten Erde“, Jahrg. 1925, Heft 9 (S. 416 ff) bringt unser Landsmann Dr. Hüer einen Aufsatz über die alte Sitte an Kirchen, verdiente Personen usw. farbige Glasfenster als Zierde des Gotteshauses oder der Privatwohnung zu schenken, was später auch dahin führte, dass beim Neubau von Bürgerhäusern von Nachbarn, Freunden oder Verwandten gemalte Fensterscheiben gewidmet wurden, die in den meisten Fällen allerdings über den Wert handwerksmäßiger Arbeiten nicht hinausgingen und nur einen kleinen Umfang hatten entsprechend den Fensterscheiben der früheren Zeit.

Ob Scheiben dieser Art im Emslande sich überhaupt bis auf unsere Tage erhalten haben, ist mir nicht bekannt und dürfte wohl zweifelhaft sein, aber dass die Sitte für Privatwohnungen einst vorhanden gewesen ist, kann ich wenigstens an einem Falle noch aus der Erinnerung bezeugen, nachdem mir in anderen, dem großen Verkehr weniger erschlossenen Gegenden noch vereinzelt an alten Häusern solche bestimmt dieser Absicht dienende zum Vergleiche begegnet sind.

In meinen Kinderjahren fielen mir in meinem Geburtsorte Heede in einem in eine Gasse schauenden Fenster des (nach altem Brauche stets der Straße abgewandten) Wohnteiles des damals dem Steuereinnehmer Lantermann gehörenden Hauses drei gemalte Scheiben auf, die sich nebeneinander in der zweiten Reihe von unten befanden und deren Maß etwa 15 mal 18 cm betragen haben dürfte. Auf jeder war in barocker Umfassung eine männliche Person dargestellt, von denen die eine nach meiner Erinnerung einen Krieger in der Tracht des 17. Jahrhunderts wiedergab, von den beiden anderen weiß ich nichts mehr. Es war ein schlichtes, aber mit einem gewissen Komfort gebautes Fachwerkhaus, an dessen Stelle das jetzige massive Mauersche steht. Das alte Haus muss nach etwa 1630 entstanden sein, eher nach 1650. Vorher schloss nämlich das Dorf westlich mit dem Ahlerschen Gehöft (jetzt Droege) ab, dann kam freies Land und weiter nach Westen die Schärpenburg mit der ebenfalls münsterischen Besitzung Olker, zu der die Verpflichtung der Briefpostbeförderung gehörte. Der jetzt an der Dorfstraße liegende Lantermann-Mauersche Garten war ehemals der „lutherische Kirchhof“, auf dem, wie in anderen Kirchorten, laut fürstbischöflich-landesherrlicher Verordnung nach der Wiedereinführung der katholischen Lehre (in Heede vor 1644) diejenigen Toten des Pfarrbezirks beerdigt werden mussten, die sich noch zur reformatorischen Lehre bekannt hatten; nach der später aufgefundenen Zahl der Gräber müssen es in Heede verhältnismäßig viele gewesen sein. Die jetzige Dorfstraße war nicht vorhanden, sondern der Weg nach Holland ging neben dem Lienkeresch nördlich von der Schärpenburg her; vor etwa 50 Jahren hörte man dafür noch den Namen Liekweg: Leichenweg, was immer den Hauptweg bezeichnet. Das Lantermannsche Haus kann also frühestens um 1640 erbaut sein, und um diese Zeit muss die Sitte der Geschenkfenster noch bestanden haben.

Bei späteren Um- und Neubauten werden diese Scheiben zum größten Teile achtlos beseitigt und höchstens für einen Spottpreis an umherziehende Händler verschleudert sein. Immerhin ist es aber möglich, dass solche hin und wieder in einer Truhe pietätvoll aufbewahrt sind, auch wohl, dass sie sich unbeachtet noch an einem oder anderm alten Fachwerkhause – besonders auf dem Hümmling – finden. In solchem Falle wolle man im Interesse der Heimatkunde darüber an „Mein Emsland“ Mitteilungen gelangen lassen.

Quelle: Mein Emsland Jahrgang 1933 Beilage zur Ems-Zeitung

Druck und Verlag der Ems-Zeitung, Papenburg

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